Jungvogel gefunden – Was tun?
Es ist Sommer und überall blüht aktuell das Leben. Egal ob Vögel, Reptilien, Amphibien oder Insekten – alle Tiere sind in dieser Zeit eifrig damit beschäftigt, sich fortzupflanzen und ihre Brut aufzuziehen. Besonders auffällig ist dies vor Allem bei den Vögeln, denn man kann deren Jungvögel häufig gut beobachten, wenn sie mit lauten Bettelrufen auf sich aufmerksam machen. So zwitschert es oft aus vielen Ecken gleichzeitig und die Eltern haben alle Schnäbel voll zu tun ihre hungrige Brut satt zu bekommen. Manchmal kommt es dabei vor, dass die noch unerfahrenen, jungen Piepmätze sich ungewollt in eine Gefahrensituation begeben, wenn sie zu früh aus dem Nest fallen oder die schützende Deckung der umliegenden Vegetation verlassen. Wenn so eine Situation eintritt, schaffen es die meisten Jungvögel instinktiv sich zügig wieder zu verstecken und vor Feinden wie Katzen in Sicherheit zu bringen. Dabei locken die Altvögel die Jungen oft schnell und geschickt in sicheres Terrain. Gelingt dies aber nicht, dann sind die jungen Vögel schutzlos ausgeliefert, da sie noch nicht richtig flugfähig sind. Viele Menschen fragen sich, wie sie beim Fund eines solchen Tieres richtig reagieren sollen?
Eine Sache soll hierbei direkt gesagt werden: Die eine, beste Lösung gibt es nicht! Es gilt immer jede Situation neu zu bewerten und dann mit bestem Gewissen zu handeln. Wir möchten euch hier ein paar grundsätzliche Dinge an die Hand geben, die ihr in jedem Fall immer beachten solltet:
Zunächst muss bei dem aufgefundenen Vogel unterschieden werden, ob es sich um einen Nestling oder einen Ästling handelt. Nestlinge gehören, wie der Name bereits sagt ins Nest und haben meist noch kaum Federn am Körper. Wenn ein solcher Nestling gefunden wird, dann sollte zunächst immer geschaut werden, ob man das dazugehörige Nest in der unmittelbaren Nähe findet. Wenn dies der Fall ist, dann kann der Nestling wieder vorsichtig in das Nest zurückgelegt werden. Keine Sorge: Man kann die Tiere ohne weiteres mit den Händen aufheben. Dadurch, dass der Geruchsinn bei Vögeln nur sehr schwach ausgeprägt ist, stimmt der Irrglaube nicht, dass vom Menschen berührte Jungvögel nicht mehr angenommen und versorgt werden. Wenn aber kein Nest weit und breit zu sehen ist, dann hilft nur noch den Nestling vorsichtig mitzunehmen und diesen weich und warm gepolstert zur nächsten Vogelauffangstation zu bringen. Dadurch, dass die Tiere meist noch nackt sind, und sich selbst nicht wärmen können, ist das Warmhalten besonders wichtig. Vögel besitzen zudem eine deutlich höhere Körpertemperatur als wir Menschen. Ebenfalls besonders wichtig ist es, den Tieren nicht auf eigene Faust etwas zu essen oder zu trinken zu geben. Diese Maßnahmen sollten alle in der spezialisierten Auffangstation stattfinden. Denn dadurch, dass die Luftröhre sehr eng an der Speiseröhre bei den Vögeln liegt, passiert es leider häufig, dass bei unsachgemäßer Handhabe den Tieren Wasser in die Lunge verbreicht wird und die Vögel daran ertrinken oder schlichtweg das falsche Futter verabreicht wird.
Findet man einen Ästling, dann sollte man zunächst einmal in Ruhe die Situation beobachten. Wie sieht der Vogel aus? Hat er augenscheinlich deutliche Verletzungen oder bereits sogar Kontakt mit Katzen gehabt? Dann muss das Tier in jedem Fall gesichert und in eine Auffangstation gebracht werden. Auch wenn es oft einfach nur gut gemeint ist, bitte die Vögel nie auf eigene Faust probieren zu päppeln, sondern in eine Auffangstation bringen, die Erfahrung und Sachkunde in dem Umgang mit Wildvögeln hat! Das Päppeln von Wildvögeln bedarf immer den helfenden Händen einer geschulten Wildvogelauffangstation, denn von der Erstanamnese, über die artgerechte Unterbringung bis hin zum richtigen Futter gibt es Einiges zu beachten. Wenn der Ästling allerdings nicht verletzt ist, dann sollte zunächst immer mit ein wenig Geduld beobachtet werden, ob dieser nicht noch von seinen Eltern versorgt wird. Leider werden viel zu häufig vermeintlich hilflose Ästlinge eingesammelt und so den Altvögeln entrissen, obwohl dies überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Die Jungvögel machen durch lautes Fiepen auf sich aufmerksam, sodass die Eltern diese auch auf dem Boden weiter füttern. Es hilft auch zu schauen, ob noch weitere Jungvögel in der Umgebung sitzen und durch ihr Fiepen auf sich aufmerksam machen. Das ist immer ein sicheres Zeichen, dass die Tiere nach wie vor betreut werden und die Alten nicht weit entfernt sind. Eine Ausnahme sollten man machen, wenn der Ort, an dem der Ästling sitzt, schlichtweg als zu gefährlich eingestuft wird. Hierzu zählen beispielsweise natürlich Straßen oder Bürgersteige, die stark frequentiert sind. In diesem Fall sollte man den jungen Vogel vorsichtig nehmen und in den nächstgelegenen Busch oder Baum setzen. Hier ist er vor Verkehr, Hunden und Katzen zunächst einmal geschützt.
Doch warum die Vögelchen überhaupt einsammeln und ihnen helfen?! „Ist doch Natur, wenn es einige nicht schaffen.“
Jein! Natürlich ist es in der Natur so vorgesehen, dass vor allem solche Arten, die besonders viele Nachkommen haben, in der Regel auch eine hohe Verlustrate besitzen. Man spricht in der Biologie hier auch von sogenannten r-Strategen, da sie über eine sehr hohe Reproduktionsrate verfügen. Jedoch ist es auch so, dass die Bestände etlicher Singvogelarten nachweislich durch Gefährdungsursachen durch uns Menschen zum Teil drastisch bedroht sind. Den größten Faktor spielt hier sicherlich der Lebensraumverlust. Viele spezialisierte Vogelarten finden immer seltener geeignete Plätze, um zu leben und ihre Brut aufzuziehen. Selbst Kulturfolger wie der Haussperling und die Mehlschwalbe haben es inzwischen schwer, da durch die immer effektivere Bauweise unserer Häuser und die schwindende Akzeptanz für die Tiere viele traditionelle Brutplätze an Gebäuden verloren gehen. Hinzu kommen natürlich Gefahren durch Kollisionen mit transparenten oder spiegelnden Oberflächen oder im Verkehr. Es wird geschätzt, dass jährlich etwa pro Gebäude in Deutschland ein Vogel durch Kollision verstirbt. Das würde ein Verlust von ca. 19 Mio. Tieren bedeuten. Und hier sind noch nicht die Opfer durch den Straßenverkehr mit eingerechnet. Eine weitere durch den Menschen verursachte Gefahr für unsere Singvögel liegt in den Hauskatzen. Auch wenn dies natürlich nur sehr schwer zu untersuchen ist, so vermutet man dennoch, dass in Deutschland jährlich etwa 200 Mio. Vögel Opfer von Hauskatzen werden. In gewisser Weise haben wir Menschen also auch eine Verantwortung gegenüber unseren Piepmätzen und dementsprechend wichtig ist es verletzten Tieren zu helfen.
So hoffen wir, dass ihr durch diese Informationen ein etwas differenzierteres Bild von der Sinnhaftigkeit von Wildvogelauffangstationen bekommen habt und ihr jetzt auch im Ernstfall gerüstet seid, wenn ihr einmal einen vermeintlich oder tatsächlich hilfsbedürftigen Jungvogel finden solltet.